IAA 2023 Takeaways


Welche Zeichen setzen die deutschen Automotives als Schlüsselindustrie vor dem Hintergrund der Mobilitätswende und Klimatransition? Wie nutzen die Auftritte die Chance zum Live-Dialog in der Innenstadt von München? Tobias Kollmann hat sich mit einigen Fachkolleg*innen des Fachbereichs Spatial Design vom Art Directors Club Deutschland (ADC) umgeschaut.

In einem war sich die Gruppe einig: Die Konzepte der Messeauftritte im Open Space der IAA waren sehr unterschiedlich in ihren Ansätzen und in ihrer Ausgestaltung.

Aber wie positionieren sich die Automotives, wie bauen sie ihre Stände und wie nutzen sie die Chance der Kommunikation? Welches Bild gibt die IAA als Weltleitmesse für Mobilität ab?

Wir hatten das Privileg, von unseren Fachkolleg*innen geführt zu werden und von ihnen mit den Verantwortlichen auf Kundenseite aus erster Hand die Konzepte erläutert zu bekommen. Vorausgeschickt sei auch, dass ich keine Pressekonferenzen besucht oder -Statements gelesen habe, sondern rein aus der Publikumsperspektive betrachte und ich auch nicht auf die vorgestellten Produkte eingehe.

Unser Rundgang startete bei BMW, mit Mini wieder auf dem Max-Josephs-Platz. Meine Erwartung war hoch, ich hatte den „Circular Pavillon“ vom letzten Mal im Kopf, der das Thema Nachhaltigkeit in meiner Wahrnehmung so progressiv vom Produkt über die Architektur, die Medien bis ins Detail auf den Punkt gebracht hatte. In diesem Punkt enttäuschte mich die Standarchitektur, denn davon war nicht mehr viel zu sehen und inszenatorisch hinterließ der Stand bei mir ein eher diffuses Bild, abgesehen von einer wieder sehr viel lebendigeren Marke Mini.

Ganz anders Mercedes: Mit einem markanten roten Kubus setzt die Marke an neuer Location in einem historischen Innenhof ein starkes Zeichen und verkörpert das Motto „Defining class since 1886“. Man habe sich am Sujet eines Expo-Pavillons orientiert, sagt Thomas Hundt, Chef der Stuttgarter Agentur jangled nerves. Das löst der Kubus ein, zieht an, macht neugierig und präsentiert in einem sehr engen inhaltlichen Framing innen mit einem einzigen Fahrzeug den im Motto formulierten Anspruch. Die Inszenierung funktioniert, setzt aber auch auf sehr bekannte, „bombensichere“ Mittel: dunkler Raum, Blick von oben auf Auto vor LED mit Lichtshow, Treppe runter, nochmal gucken, Exit. Das Material des Standes, innen und außen, sei soweit wiederverwertbar bereits verkauft und für eine permanente Verwendung eingeplant, so Hundt. Ein guter Schritt, immerhin.

Zugegeben, ich habe nur ein paar Minuten der Show gesehen. Nach meinem Besuch vermisse ich aber außer “Elektro” eben genau die Aussagen dazu, wie die Erfinder des Automobils eine nachhaltige Welt erreichen wollen, in der ihre Produkte erfolgreich sein sollen. Die „medialen Portale“, die zu den Fahrzeugkonzepten vertiefende Inhalte anbieten, kämpfen mit der Sonneneinstrahlung und dem User Interface, der den Besuchenden möglicherweise etwas zu viel abverlangt. Alles in allem ein starker, klarer, mutiger und eng geframter Auftritt, der aber – wie die anderen Stände ebenfalls – die Chance verpasst, die Besuchenden auf die Reise in eine 1,5°C-Welt mitzunehmen. 

Mediale Portale bei Mercedes

In einem Interview vor ein paar Tagen konstatierte ein Auto-Experte, die deutsche Automobilindustrie hätte die weltweite Vormachtstellung mit dem Verbrenner verloren. Wie stellt sie sich auf gegen die chinesische Übermacht, die daran ist, den Markt auf Elektrobasis von unten in den nächsten paar Jahren aufzurollen? Können sie sich dem als Luxusmarken entziehen?

Weg vom Luxus: Schauen wir mal zu VW am Odeonsplatz, der, wie wir von den Marketingverantwortlichen hören, mit einem sehr offenen, einladenden Stand zum Dialog einlädt. Ein großes Diskussionsforum mit einem abwechslungsreichen „Programm zum Thema Zukunft und Nachhaltigkeit“ gibt dem Raum und wirkt stimmig. Die Gesamtarchitektur füge sich gut in den Stadtraum ein und nähme sich stark zurück, sei ein „zeitlos wirkender Rahmen“, der mit Inhalten bespielbar ist, vermittelt uns der verantwortliche Architekt. Meines Empfindens nach in der Gestaltung etwas zu quadratisch-praktisch-gut. Die „Vibrant Colors“ hätte man hinter sich gelassen. Der Stand ist konventioneller Messebau, Nachhaltigkeit hat wohl keine wesentliche Rolle gespielt. Die obige Frage scheint mir nicht beantwortet. Ich gebe meinem Fachkollegen Cedric Ebener recht mit dem Eindruck, es fehle den Ständen eine ganze kommunikative Vermittlungsebene, eine Themenebene zwischen Marke und Produkt. Es werden nur wenige, schmale Botschaften gespielt. Das „Future Materials Lab“ mit ein paar hinerleuchteten Grafiken jedenfalls löst den in seinem Namen formulierten Anspruch nicht ein. Wunderschön angenehm allerdings die schattige Chillout Lounge unter Bäumen.

VW zu Kreislauf

Ein Auto-Messestand in Form eines Autos. Man wollte dem legendären 911er zum 60. ein Monument setzen. Ich würde nicht so weit gehen wie die Süddeutsche, die die Architektur als „Skelett einer untergegangenen Kultur“ wähnt (untergegangen ist diese Kultur noch nicht, wie der große Besucherzuspruch beweist). Aber als Designer frage ich mich, was man der Design-Ikone mit diesem allzu-profanen, prolligen Abklatsch angetan hat. Der Pavillon wird ihrer Eleganz und Zeitlosigkeit nicht gerecht und entwertet sie meines Empfindens nach. Und er präsentiert keine Vision dafür, welche Antwort die Marke Porsche für eine nachhaltige Zukunft hat, in der ihre Innovationskraft und Leidenschaft für Höchstleistung einen echten Unterschied machen könnte. 

Nebenan präsentiert sich Audi im „House of progress“. Ein zurückhaltend wirkender, dreieckiger Bau, der noch am ehesten inhaltlich versucht, eine zukunftsweisende Vision zu vermitteln. Sehr schön gemachte Animationen zum Kreislauf von Glas, Metallen, Wasser – die Themenvermittlung wirkt dennoch sehr oberflächlich, wie auch bei manch anderen Ständen. Den neuen Q6 e-tron behält man allein der Presse auf dem Summit vor – schade. Da hilft auch kein Kai Pflaume, der sich beim einstudierten Parcours rund um den sehr langen und sehr breiten Showcar, in dem man neuerdings auch durch den Kühlergrill nach draußen gucken kann, ablichten lässt – es kommt bei mir hier noch keine rechte Lust auf Zukunft auf.

Audi zu Kreislauf

Ich bin davon überzeugt, dass die Live-Kommunikation mit Messen und Ausstellungen ein unverzichtbares Mittel für einen wirksamen Dialog mit ihren Zielgruppen ist und dafür einzigartige Möglichkeiten bietet. Die IAA zeigt einerseits, dass es gelingen kann, diesen Dialog in die Innenstadt und nah an die Menschen zu bringen, aber auch, wo die Grenzen liegen. Der Königsplatz beispielsweise verhungert abgeschlagen vom Publikumsverkehr. Ich würde mir andererseits wünschen, dass die Marken die Möglichkeiten der Kommunikation stärker ausschöpfen. Haben sie so wenig zu sagen? Wenn wir auch nur annähernd an das Feuerwerk der Visionen herankommen würden, welches Mailand mit dem Salone del Mobile abliefert und für sich reklamieren kann, die Hauptstadt des Möbeldesigns zu sein, dann würde sich der Materialeinsatz lohnen. – Nachhaltig gebaut? Ich habe leider den Eindruck, dass das Thema bei den meisten eher wieder in den Hintergrund gerückt ist.

Die Süddeutsche fragt, ob „das Auto in Zukunft noch zur Mobility gehört“ und propagiert das zu Fuß Gehen als „die Zukunft“. Das greift wohl ein klein wenig kurz. Die Frage ist, wie die Transition in eine nachhaltige Zukunft gelingen kann und welchen Stellenwert die deutsche und europäischen Automotives hier einnehmen. Ich wünsche mir hier viel mehr Antworten und offensivere Kommunikation. Und der IAA bleibt wohl noch ein langer Weg zu einer Messe oder besser noch einem Festival für ein ganzheitliches Verständnis von Mobilität.